Neuigkeiten aus dem Stay-Forever-Hauptquartier!
 
#15 – JULI 2022

 

 

Liebe Freundinnen, liebe Freunde,

nach Jahren des unfreiwilligen Stubenhockens zieht es uns endlich mal wieder nach draußen und auf eine Bühne! Wir wurden eingeladen, auf dem 1E9 Festival der Zukunft im Deutschen Museum in München aufzutreten, und dem kommen wir nur allzu gerne nach. Am Samstag, den 23. Juli kann man uns ab 19:00 Uhr dabei zuhören, wie wir uns darüber unterhalten, wie Computer- und Videospiele unsere Vorstellung von der Zukunft beeinflusst haben und welche Zukunftsvisionen sie uns in den 80ern und 90ern angeboten haben. Es wird ein launiges und anekdotenreiches Gespräch mit einem Hauch versuchter Analyse. Wer uns dabei zuhören, freundlich applaudieren und hinterher mit uns anstoßen möchte, ist herzlich eingeladen - das Festival geht über das ganze Wochende und ist völlig kostenlos. 

Übrigens: Das Deutsche Museum wurde unlängst generalsaniert und umgestaltet und hat am 8. Juli große Neueröffnung – das wäre sicher eine gute Gelegenheit, um sich auch das mal anzusehen. Es ist schon eine Weile her, dass wir im Deutschen Museum waren, aber wir fanden’s schon damals sehenswert und beeindruckend. Zu GameStar-Zeiten um die Jahrtausendwende herum enthielt der damals noch “Forum der Technik” genannte Abschnitt der Museumsinsel ein Planetarium mit Lasershow und ein IMAX-Kino, da waren die jungen GS-Redakteure häufiger mal zu Gast. Beides wurde leider längst aufgegeben, das Forum der Technik heißt jetzt Forum der Zukunft - und dort werden wir am 23. Juli auftreten. Ein bisschen warme Nostalgie ist für uns also allein schon durch den Ort dabei.

Erstmal zu den offenen Folgen:

Nachdem zuletzt unsere Unterstützer Stronghold ausgewählt hatten, haben sich Gunnar und Chris für SF-Folge #123 wieder selbst für ein geheimes Spiel entschieden. Das führt uns nicht nur ins Adventure-Genre, sondern auch in eine der berühmtesten Welten der Literaturgeschichte.

Passend dazu erscheint im Juli eine neue Folge Die Welt von …; Rahel hat sich wieder einen kompetenten Gesprächspartner gesucht und reist mit ihm durch Entstehung, Inhalt und Wirkung des Werks, aus dem die besprochene Welt stammt.

Für Nintendos Kult-Handheld, den Game Boy, sind so viele hervorragende Spiele erschienen, dass wir mal wieder die Hilfe unserer Unterstützer bei der Auswahl benötigten. Die haben entschieden: Gunnar und Fabian sprechen über den Mega-Hit Pokémon Rot & Blau.

Manöverkritik hierzu kam von den Hörern: Wir haben einen populären Superhit gegen zwei besprechenswerte, aber eher nischige Rollenspiele antreten lassen, das war vielleicht nicht die allercleverste Wahl. Wir geloben, die vorgegebenen Spiele zukünftig besser passend festzulegen.

Ihr habt es gemerkt, die für Juni angekündigte Folge Stay Forever Technik hat’s doch nicht mehr in den Monat geschafft. Das lag weder an Henner und Gunnar, die mal wieder knapp drei Stunden lang gesprochen haben, noch an unserem Cutter Matthäus, der alles pünktlich abgeliefert hatte, sondern an Chris, der nicht mehr zur Endabnahme gekommen ist. Das wird schleunigst nachgeholt, wir reichen die Folge in Kürze nach.

Für unsere Unterstützer auf Patreon und Steady ist die neue Staffel von Stay Forever Spielt gestartet; Gunnar und Chris saufen sich durch den Noir-Krimi Puppen, Perlen und Pistolen von 1995. Der wird sie den Juli hindurch begleiten, denn im anfänglich harmlos anmutenden Fall beginnen sich bald die Leichen zu stapeln.

Die Stay-Forever-Folge zu Stronghold war lang, aber nicht lang genug, deshalb reichen wir für Unterstützer noch einen ganzen Schwung Anekdoten und Spezialwissen in einer „Wusstet ihr eigentlich…?“-Folge zu Stronghold nach.

 

Und eine kurze Service-Mitteilung für unsere Unterstützer auf Steady: Im Juni waren durch einen technischen Fehler viele der älteren Folgen nicht verfügbar; wir haben sie inzwischen alle neu hochgeladen, sodass alles wieder funktioniert. Bei der Gelegenheit haben wir noch eine alte Lücke zu unserem Angebot auf Patreon geschlossen: Eine Handvoll älterer Folgen, vor allem frühe Zehn Jahre Klüger-Episoden, waren bisher nur auf Patreon verfügbar. Sie sind jetzt auch bei Steady eingestellt, sodass das Angebot nun auf beiden Plattformen identisch ist.

In unserem Retro-Fanshop Retroshirty haben wir spannende Neuzugänge zu verkünden: Neben Spiele-Merch und Stay-Forever-Schnickschnack könnt ihr jetzt auch Merchandise des mit uns befreundeten Podcasts Nerdwelten erwerben. Im Nerdwelten-Shop könnt ihr Shirts, Pullis, Tassen und Käppis bestellen. Wir freuen uns sehr über die Zusammenarbeit!

 

 

Christians Neuzugänge

Christian und Gunnar sind in diesem Newsletter beide im Spielbuch-Fieber. Christian macht den Anfang mit Deathtrap Dungeon, einer PC-Umsetzung eines Fighting-Fantasy-Buchs.

Neulich haben Gunnar und Mháire in einer Staffel Stay Forever Spielt den Spielbuch-Klassiker Die Stadt der Diebe durchgefochten. Ab 1982 veröffentlichten die beiden Briten Steve Jackson und Ian Livingstone – die Gründer von Games Workshop – eine Serie von „Fighting-Fantasy“-Rollenspielbüchern; Die Stadt der Diebe war das fünfte davon, sein Nachfolger hieß hierzulande Das Labyrinth des Todes und im englischen Original Deathtrap Dungeon. Dieser Name könnte auch Spielern etwas sagen, denn im Jahr 1998 schaffte just diese Buchvorlage den Sprung auf PC und Playstation.

Das allein wäre noch kein Anlass für einen Neuzugang, denn beim Nachzählen stellte ich überrascht fest, dass ich Deathtrap Dungeon bereits viermal besitze: Im britischen Original, in der entschärften deutschen Version, in der hübschen US-amerikanischen Trapezbox (von dieser originellen Packungsart hatte ich im Dezember-Newsletter 2021 erzählt) und in der Budget-Ausgabe. Nun … inzwischen steht die fünfte Schachtel im Regal, denn neu hinzugekommen ist die englische Limited Edition des Spiels.

Die Fighting-Fantasy-Bücher waren in den 80ern ein solcher Hit, dass einige davon noch im gleichen Jahrzehnt als Computerspiele umgesetzt wurden, und zwar über den Verlag Puffin Books, bei dem auch die Bücher erschienen. Zielplattform war zunächst der ZX Spectrum, später auch andere 8-Bit-Systeme der Ära wie der C64. Das erste dieser Spiele, das auf dem ersten Buch Der Hexenmeister von flammenden Berg basierte, war noch ein ziemlich blödes Action-Labyrinth, die folgenden Titel dann Textadventures, wie man’s von vornherein erwartet hätte. Sechs Bücher fanden so ihren Weg auf den Computer, allerdings: Das Labyrinth des Todes, das erfolgreichste der frühen Fighting-Fantasy-Abenteuer, war nicht darunter.
 
Dessen Autor, Ian Livingstone (rechts abgebildet, Foto von 1997), hatte seinerseits schon 1984 in die Spielebranche reingeschnuppert. Der Erfolg von Das Labyrinth des Todes lockte zwei junge Unternehmer namens Dominic Wheatley und Mark Strachan an, die eine Computerspielefirma gründen wollten. Als erstes Projekt schwebte ihnen – vermutlich inspiriert von der riesigen Publicity-Welle, die das Schnitzeljagd-Buch Masquerade in den frühen 80ern ausgelöst hatte – ein Spiel mit versteckten Hinweisen vor, die enträtselt und zu einem Lösungswort zusammengesetzt werden mussten. Als Belohnung für den ersten Anrufer mit korrekter Lösung lobten sie ein Preisgeld von 25.000 Pfund aus – umgerechnet und inflationsbereinigt 100.000 €. Einen Entwickler hatten Wheatley und Strachan bereits an der Hand: Die ungarische Geheimwaffe Novotrade, die hinter dem eisernen Vorhang für westliche Studios Spiele schrieb. Nun fehlte ihnen noch ein Autor. Livingstone war interessiert; so entstand das Textadventure Eureka!, das 1984 erschien. Im Jahr darauf räumte der 15-jährige Matthew Woodley den Geldpreis ab.

Die Firma, die Dominic Wheatley und Mark Strachan für Eureka! gründeten, hieß entsprechend ihrer beiden Vornamen Domark. Auch Ian Livingstone war an Bord: Statt mit Tantiemen ließ er sich mit Firmenanteilen bezahlen. Als Livingstone 1992 bei Games Workshop ausstieg, war Domark zu einem der größeren Publisher in England angewachsen. Livingstone kaufte 1994 nochmal Anteile nach und stieg als Mitglied des Verwaltungsrats bei Domark ein. Mit im Gepäck: Die Lizenz für Deathtrap Dungeon und die Idee für ein passendes Spiel. 1995 formierte Domark ein neues Entwicklerteam, Asylum Studios, das unter Livingstones Aufsicht mit der Umsetzung begann. Livingstone heuerte zudem ehemalige Buddies von Games Workshop als Co-Designer an, darunter Richard Halliwell, Autor des Tabletop-Hits Warhammer. 

Am Ende sollte es drei Jahre dauern, bis das Produkt marktreif war. Ein unerfahrenes Team, eine selbst entwickelte 3D-Engine, parallele Entwicklung für PC und Playstation, dazu ein perfektionistischer Chef – das alles half sicher nicht. Dazu kamen externe Verwerfungen. 1995 wurde Domark von Eidos geschluckt, das mit reichlich Börsengeld englische Firmen aufsaugte. Unter denen befand sich auch Core Design, das damals ein heißes Eisen im Feuer hatte: Tomb Raider. Dessen Mega-Erfolg strahlte ab 1996 auch auf Deathtrap Dungeon ab, das bis dato nur einen männlichen Helden hatte und prompt eine zweite, mit wenig Kleidung bestrafte Protagonistin bekam. 1998 brachte Eidos Deathtrap Dungeon dann auf den Markt.

Mit der Buchvorlage hat das Spiel nur noch das Szenario gemein: Unerschrockener Held oder Heldin steigen ins fallenverseuchte Todeslabyrinth, um im Überlebensfall mit Ruhm und Reichtum überschüttet zu werden. Aus dem Rollenspiel-Buch ist aber ein Action-Adventure mit Resident Evil-Steuerung geworden, in dem man in 3D-Levels Hack-’n’-Slash-Schwertkämpfe schlägt und Fallen trotzt. Oder halt in ihnen stirbt, denn der Name ist Programm. Die Piratin Red Lotus hopst auf eine Säule, um eine Schatztruhe zu öffnen, und wird noch im Hinknien von einer aus dem Nichts herbeischwingende Abrissbirne weggerissen – dergestalt sind die Herausforderungen in Deathtrap Dungeon, dann geht’s zurück zum letzten Speicherpunkt. Im englischen Original trifft britischer schwarzer Humor auf damals ansehnliche Splatter-Effekte; es spritzt das Blut und läuft an den Wänden hinunter, abgetrennte Gliedmaßen kullern durch die Gegend, und unsere zerschundenen Helden verwandeln sich dank Schadenstexturen in blutüberströmte Prügelopfer, in deren Gebiss man die ausgeschlagenen Zähne zählen kann.

Ob Deathtrap Dungeon eine versteckte Perle oder ein Rohrkrepierer ist, wurde damals wie heute diskutiert; die Wertungen decken das ganze Spektrum von Müll bis Meisterwerk ab, bei der GameStar gaben wir damals nüchterne 69%. Dem Spiel stehen seine hakelige Steuerung, viele auffällige Clipping-Fehler und das sadistische Leveldesign im Weg. Gelegentlich taucht Deathtrap Dungeon in Listen der schwierigsten Spiele auf, wobei es weniger schwierig als vielmehr gemein ist. Wer sich durchquält, wird nach dem harten Endkampf nicht etwa mit Gold belohnt, sondern mit einem Abspann-Filmchen, in dem einem ein Gnom die Zunge herausstreckt. Man muss vermutlich Brite sein, um da mitzulachen. Oder Ian Livingstone.
 
Wer damals die Limited Edition gekauft hat, der wird wenigstens mit einer Handvoll Bonus-Inhalte versöhnt. Da wäre zum einen das Spielbuch selbst in der Originalfassung von Puffin Books, aber mit neuem, zum Spiel passenden Cover. Dazu gibt’s das offizielle Deathtrap-Dungeon-Kartenspiel, „designt von Ian Livingstone“ – wer sich da Wunder was vorstellt, wird einigermaßen ernüchtert feststellen, dass es sich um eine simple Variante des Klassikers „Arschloch“ handelt, nur dass die 2*52 Karten hier eben mit den Monster-Motiven aus dem Spiel bedruckt wurden. Man spürt förmlich die langen Abende, an denen Mr. Livingstone bei Kerzenlicht über dem Regelwerk gebrütet haben muss, er hat nun mal (wie er im offiziellen Making-of-Video zu Deathtrap Dungeon gleich zweimal betont) „sehr hohe Ansprüche“.

Zum Schluss liegt in der Packung der Teilnahmeschein für ein Gewinnspiel, bei dem die 100 ersten Einsender Tickets fürs London Dungeon erhalten, sofern sie die drei Preisfragen richtig beantworten: Wie heißen Heldin, Held und Stadt des Spiels? Wer auch immer meine Version der Limited Edition besaß, hat sich nicht die Mühe gemacht, den Zettel einzusenden. Oder das Kartenspiel auszupacken. Oder ins Spielbuch Charakterwerte zu kritzeln. Was mich natürlich freut, weil ich damit eine vollständige, gut erhaltene Fassung bekommen habe. Bei der ich ebenfalls nichts weiter anfassen werde. Noch nicht mal das Spiel.

 

Pile of Shame Minus 1

Gunnar spielt ein „Choose your own Adventure“-Spiel, The Life and Suffering of Sir Brante.

Ich habe, aufmerksame Hörer haben das vermutlich mitbekommen, eine Neigung zu textlastigen Spielen. Ich mag fast alles, vom klassischen Textadventure aus der Infocom-Ära zu modernen Varianten von “Choose your own Adventure (COYA)”-Games, bei denen man eine Handlung durch Auswahloptionen bestimmt. In letztere Kategorie fällt auch The Life and Suffering of Sir Brante aus dem Frühjahr 2021. 

Die Entwickler (Sever, ein russisches Studio) beschreiben ihren Titel als narratives Rollenspiel, aber das ist natürlich Unsinn – das Spiel macht zwar allerlei Brimborium um Werte und Proben und sowas, aber im Kern ist das ein Entscheidungsspiel. Der Titel wählt als naheliegende Metapher für die Darstellung auf dem Bildschirm das „Tagebuch“ und ordnet alle Texte, Informationen, Bilder (nur in Schwarzweiß) und Entscheidungsmöglichkeiten auf Buchseiten an. Das ist nicht spektakulär, aber gut gemacht und sehr klar.

Man lebt, das Name legt es nahe, im Spiel das Leben von Sir Vorname (kann man auswählen, in meinem Universum habe ich das Schicksal von Sir Kaliban Brante bestimmt.) Brante, einem Spross der (erst seit einer Generation) adligen Brante-Familie, der seinen Weg in der harschen Realität des Arknianschen Imperiums finden muss. Sein Schicksal bestimmt man von der Geburt bis zum Tod (fast wie in Alter Ego); die eigenen Entscheidungen legen fest, wie sich seine Persönlichkeit entwickelt, sein sozialer Status, und welche Spuren er in der Geschichte des Imperiums hinterlassen wird.

Alle Ereignisse in den jeweiligen Lebensabschnitten werden im Tagebuch festgehalten und geben Aufschluss darüber, was wir mit Herrn Brantes Leben so gemacht haben – waren wir eine Kraft zum Guten, ein Egoist oder ein Unterdrücker? Wie sind wir mit unserer Familie und unseren Freunden umgegangen? Was bereuen wir, worauf sind wir stolz?

Das ist alles ganz clever erzählt, nicht immer perfekt, aber doch gut genug, damit man ein Gefühl von Selbstwirksamkeit entwickelt und mit Spannung der Handlung folgt. Interessant ist auch das Setting: Das fiktive Arknianische Imperium wirkt wie ein Reich aus der frühen europäischen Neuzeit, vielleicht um 1650 herum. Es herrscht der Absolutismus, es gibt ein Ständesystem mit wenig Durchlässigkeit, und religiöse Konflikte werfen ihre Schatten voraus. Eine gefährliche Welt, in der die Leute zwar elegant angezogen sind, aber ein Menschenleben nicht viel zählt, wenn es nicht gerade das eines Adeligen ist.

Über die Mechanik von CYOA-Spielen muss man eigentlich gar nicht reden, halt Multiple-Choice, aber dies hier will ja ein „narratives RPG“ sein, was dazu führt, dass die Mechanik der Story zuweilen ein bisschen im Weg steht - es gibt eine universelle Ressource namens Willenskraft, hat man die aufgebraucht, kann man manchmal nicht mehr handeln, obwohl man wüsste, was zu tun ist. Und es gibt … Leben. Mit einem erzählerischen Kniff rechtfertigt das Spiel, die Spielfigur zwar ständig in tödliche Situationen zu bringen, sie aber erst nach dem dritten Tod wirklich ins Game Over zu schicken. Das ist ganz lobenswert, passt aber irgendwie nicht zum Genre. 

Insgesamt ein schönes, aufwändig gemachtes Spiel für Leute, die sich aufs Lesen einlassen möchten und keine Angst davor haben, ganze Passagen auf der Suche nach dem perfekten Weg mehrmals zu spielen.

 

 

Abschiedsspiele

In dieser Rubrik werfen wir einen Blick zurück auf die letzten in Deutschland für Konsolen veröffentlichten Spiele. Wurde die jeweilige Plattform mit einem Highlight in den Ruhestand geschickt? Oder gab es einen unrühmlichen Abschied? Dieses Mal: Das SNES.

Kaum eine Retro-Konsole hat in der Gesamtheit ein so hochwertiges Spiele-Lineup wie Nintendos SNES. In der japanischen Heimat gab es bis ins Jahr 2000 neue Spiele, darunter auch gegen Ende noch hochwertige Titel wie Fire Emblem: Thracia 776 (1999). In den USA setzte ein Port von Frogger 1998 den Schlusspunkt. In Deutschland wurde das 1992 dort veröffentlichte Gerät auch bis 1998 mit Spielen versorgt. 

Der letzte hiesige Titel weist eine kuriose Parallele zum NES auf. Die 8-Bit-Konsole erhielt als europäisches Abschiedsspiel 1995 Der König der Löwen. 1998 war der diesem Spiel als Vorlage dienende Kinofilm kein Thema mehr. Es stand aber der Start von Teil 2 mit dem Untertitel „Simbas Königreich“ an. Außerdem hatten die Nebencharaktere Timon und Pumbaa – ein Erdmännchen und ein Warzenschwein – eine beliebte Cartoon-Serie erhalten. Also wurde nochmal fix ein PC-Spiel aus dem Jahr 1995 auf das SNES portiert – Timon und Pumbaas Spielesammlung.

Der Name ist treffend, denn das Ganze ist eine Kollektion von vier Minispielen. Es gibt keine Story oder gar einen die Minigames spielerisch verbindenden Überbau. Man wählt im Hauptmenü eine der vier Disziplinen aus, und schon geht’s los. Dass die Auswahl mit einem frei zu bewegenden Cursor erfolgt, lässt erkennen, dass ein PC-Spiel die Grundlage war. Folgende vier Spielchen sind enthalten:

  • Jungle Flipper: Der Name ist Programm

  • Burper: Eine Variation von Space Invaders

  • Hippo Hop: Eine Variation von Frogger

  • Slingshooter: Ein Fadenkreuz-Shooter

In diesem Bildschirm wählt man das gewünschte Minispiel.

Das auf dem PC noch enthaltene Bug Drop, ein Klon von Puyo Puyo, fehlt der SNES-Umsetzung ebenso wie Videosequenzen und zahlreiche Sprachsamples, die auf dem Modul keinen Platz hatten. Die Grafik überstand den Systemwechsel einigermaßen intakt. Nur hilft dies dem Spiel nicht viel, denn die vier Minispiele sind langweilig bis misslungen. Jungle Flipper hat eine furchtbare Ballphysik und Probleme mit der Bildrate. Burper und Hippo Hop leiden darunter, dass schon ihre Vorbilder keine tiefgründigen Langzeitmotivatoren waren. Sie fügen der kopierten Formel zudem nichts hinzu. Einigermaßen nett ist Slingshooter, aber hat man ein paar Mal Hyänen, Krokodile und Geier abgeschossen, ist auch hier die Luft raus. Es sind eben alles simpelste Minispiele, die ohne Scrolling vor dem immer gleichen Hintergrund ablaufen. 

Wir wollen ehrlich sein: Fire Emblem: Thracia 776 hätten wir erheblich lieber als letzten SNES-Titel bekommen. Vor der GBA-Ära glaubte Nintendo aber bekanntlich noch nicht daran, dass irgendwer im Westen ein rundenbasiertes Fantasy-Strategiespiel mögen könnte. Ja, wir sind auch immer noch fassungslos.

Slingshooter ist noch die erträglichste Disziplin des Spiels.

 

💾 Retronews

Bevor wir zu den aktuellen Geschehnissen in der Retro-Games-Szene übergehen, berichtet Fabian im Sommer-Special über 3 aktuelle Retro-Spiele, die er angespielt hat: Auf der Retro-Welle durch den Spielesommer.

Der Juni 2022 hat sich mit Spieleneuheiten zurückgehalten. Ja, es ist ein neues Diablo erschienen, aber vom Glanz alter Tage ist das Groschengrab Diablo Immortal weit entfernt. Von Nintendo gab es Mario Strikers: Battle League Football und 2K hat den neuen Supermassive-Horror The Quarry veröffentlicht. 

Für retro-affine Spielerinnen und Spieler sieht es dagegen besser aus, denn es sind auch dieser Tage wieder mehrere Spiele erschienen, die alte Titel auf neue Plattformen gebracht haben oder legendäre Oldies imitieren.

Pocky and Rocky Reshrined

Beginnen wir mit dem kuriosesten Titel: Pocky and Rocky Reshrined für PlayStation und Switch bringt eine gar nicht mal so bekannte SNES-Marke zurück. Die Priesterin Pocky und ihr Waschbär-Buddy Rocky erleben eine Mischung aus alten Leveln und neuen Inhalten. Das Spiel sieht aus wie ein 2D-Zelda oder ein Mystical Ninja, spielt sich aber wie ein Top-Down-Shooter, in dem sich die Figuren horizontal und vertikal bewegen können. Der Grafikstil orientiert sich am SNES-Original, fügt aber Effekte und Animationen hinzu, sodass das Spiel erfreulich hübsch aussieht. 

Waschbär Rocky bewirft Feinde mit Blättern.

Allerdings steckt hinter der niedlichen Grafik eine große Herausforderung, und es irritiert einigermaßen, dass nicht nur ein leichterer Schwierigkeitsgrad, sondern auch der Koop-Modus zunächst freigespielt werden müssen. Zumindest haben die Level nun – anders als früher – Checkpoints, sodass die häufigen Tode keinen kompletten Neustart eines Spielabschnitts erfordern. 

Pocky and Rocky Reshrined ist ein solides, unkompliziertes Actionspiel, das gerade für seinen Preis von 30 Euro aber eher Liebhaber ansprechen dürfte. Einigermaßen überraschend gibt es auch physische Versionen auf Disc beziehungsweise Modul.

Sonic Origins

Noch teurer und nur als Download erhältlich ist Sonic Origins. Zumindest gibt es die 40 Euro teure Spielesammlung für alle großen Plattformen, also PC, PlayStation, Xbox und Switch. Origins umfasst Sonic the Hedgehog, Sonic the Hedgehog 2, Sonic 3 & Knuckles sowie Sonic CD. Gefühlt – und tatsächlich – wurden all diese Spiele über die Jahre schon mehrfach mit Neuveröffentlichungen bedacht. Die HD-Versionen von Origins sind mit echtem Widescreen-Support aber sehr gut gelungen. 

Der Zähler für die neuen Münzen findet sich unten links.

Sega hat das Paket mit allerlei Zusatzinhalten erweitert. In einem digitalen Museum lassen sich Videos, Musikstücke und noch einiges mehr durch erspielte Münzen kaufen. Außerdem gibt es einen Missionsmodus, in dem spezielle, meist kurze Aufgaben abzuschließen sind. All diese Ergänzungen kaschieren nicht in Gänze, dass die vier Hauptspiele dieser Sammlung nicht groß angefasst und eben schon häufig veröffentlicht wurden – auch wenn die schlauen Menschen bei Sega vor dem Release von Origins verschiedene Download-Fassungen aus den Stores entfernt haben. 

Letzten Endes sind die vier Spiele immer noch stark – für 40 Euro hätte Sega allerdings mehr Titel integrieren können, die noch nicht so hinlänglich bekannt sind, zum Beispiel die Sonic-Spiele, die einst für den Game Gear auf den Markt kamen.

Teenage Mutant Ninja Turtles: Shredder’s Revenge

Das Retro-Highlight des Monats ist unbestritten Teenage Mutant Ninja Turtles: Shredder’s Revenge. Es kostet 25 Euro und ist ebenfalls für alle vier Hauptplattformen erhältlich. PC- und Xbox-Besitzer mit entsprechendem Abonnement können das Spiel ohne Mehrkosten via Game Pass spielen. Was das kanadische Studio Tribute Games hier abgeliefert hat, ist ein einziger großer Liebesbrief an Beat ’em ups vergangener Zeiten, allen voran Turtles in Time.

Bosskämpfe wie hier gegen Rocksteady dürfen nicht fehlen.

Nach einer Vielzahl vergeigter Turtles-Titel der letzten Jahre wurde bei Shredder’s Revenge alles richtig gemacht. Es ist ein klassisches 2D-Actionspiel mit schicker Pixelgrafik, einem Mehrspieler-Modus für sechs(!) Spieler gleichzeitig und zahllosen Referenzen an die alten Turtles-Hits. Das fängt bei den Bossen an, die bereits schemenhaft auf den Startbildschirmen der Level präsentiert werden, geht bei den überdrehten Sprachsamples weiter, für die man den alten Comic-Cast an die Mikros geholt hat, und endet noch längst nicht bei den vielen witzigen Momenten. 

Die 16 Level variieren – auch das kennt man – klassische Klopperei mit Vehikel-Sequenzen. Am Ende jedes Abschnitts warten große Bosse, hier bekommen neben bekannten Namen wie Bebop und Rocksteady auch B-Bösewichte ihren Platz im Scheinwerferlicht. 

Das Kampfsystem fühlt sich direkt vertraut an, wurde aber sinnvoll erweitert, sodass sich Shredder’s Revenge vielfältiger spielt als die mittlerweile etwas simpel wirkenden Klassiker. Alles in allem ist hier das wahrscheinlich beste Turtles-Spiel aller Zeiten und das nächste große Comeback eines alten Genres nach Streets of Rage 4 gelungen.

Hübsche Comic-Sequenzen treiben die Story voran.


... und was hat sich sonst so in der Retro-Spiele-Szene getan?

  • Gratis-Downloads von Factor 5: Das deutsche Entwicklerstudio, das in den späten 1980er-Jahren und den frühen 90ern große Erfolge nicht zuletzt mit Turrican feierte, hat einige seiner klassischen Spiele zum kostenlosen Download freigegeben: Auf factor5.com gibt es unter anderem Katakis, R-Type und BC Kid zum Herunterladen. Auch den Chris-Huelsbeck-Soundtrack aus dem ersten Turrican könnt ihr euch hier gratis holen.

  • itch.io-Summer-Sale: Noch bis zum 7.7.22 läuft die Sommer-Rabatt-Aktion der Indie-Plattform itch.io. Wer ein wenig Zeit mitbringt, kann sich auf der Sale-Seite durch die Angebote stöbern und den ein oder anderen außergewöhnlichen Fund machen – die auf itch.io veröffentlichten Spiele grenzen sich oft von Steam-Sale-Durchschnittsware ab, indem sie wilde Storys, extravagante Charaktere oder ungewöhnliche Gameplay-Konzepte anbieten; oder alles davon auf einmal.

  • Blade-Runner-Desaster: Das eigentlich grandiose Grafik-Adventure von Westwood, das ursprünglich 1997 veröffentlicht wurde, hat kürzlich eine Auffrischung von den Remaster-Spezialisten der Nightdive Studios bekommen (GOG-Link). Was eigentlich ein Home Run für das Studio hätte werden können, führt jetzt zu durchweg negativen Rezensionen von enttäuschten Fans: Inhalte wurden geschnitten, hässliche Menüs werden bemängelt, und die Grafik wurde verschlimmbessert – das Upscalen (Erhöhung der Auflösung) und andere technische „Verbesserungen“ an Grafik-Assets führten dazu, dass die schön gezeichneten Pixel-Hintergründe des Originalspiels verwaschen und verfälscht dargestellt wurden. Dass die ursprüngliche ScummVM-Version gleichzeitig zum Remaster-Release aus den Shops entfernt wurde, erhitzt die Gemüter umso mehr. Dementsprechend steht Blade Runner Enhanced auf GOG bei 1.5/5 Sternen, auf Steam sind die Rezensionen „Mostly Negative“. Unser Tipp: Abwarten, ob Patches Verbesserungen bringen – oder das Originalspiel auftreiben.

  • Ein Rückblick auf Thomas M. Disch's Amnesia: Der Autor Aaron A. Reid arbeitet momentan an einem Kompendium über die ersten 50 Jahre des Interactive-Fiction-Genres, ist also gewissermaßen Textadventure-Profi. Als Bonus zu seinen ursprünglichen Recherchen hat Reid kürzlich eine Betrachtung des 1986er Adventures Amnesia vorgenommen, in der er die Entstehung des Spiels und seine Spielerfahrung beleuchtet. In der Veröffentlichungs-Historie von EA ist Amnesia eine Besonderheit: Es ist das einzige Textadventure im EA-Katalog. Noch ausführlichere Informationen gibt es in Stay-Forever-Folge 81, die das Spiel behandelt.

  • Film-Kickstarter: The Commodore Amiga 500 Story: In einem neuen Dokumentations-Projekt möchten die Filmemacher Nicola & Anthony Caulfield eine Serie von Filmen über Computerspiel- und Computer-Hardware-Geschichte produzieren, den Anfang soll eine umfassende Dokumentation über den Amiga 500 machen. Im Laufe ihrer Karriere und ihrer Arbeit mit verschiedenen Computerherstellern und Spieleentwicklern haben die beiden bereits hunderte von Interviews geführt und viel Archivmaterial gesammelt. So sollen die Episoden des Gaming Chronicles-Projekts nicht nur Dokumentarfilme, sondern auch weiterführende Featurettes und viele Interviews bieten. Neben den Entwicklerteams der Amiga-Geräte plant das Duo auch Interviews mit vielen Spieledesignern ein, unter anderem Eric Chahi, David Braben, Paul Cuisset, Peter Molyneux und Julian Eggebrecht. Das ambitionierte Projekt kann via Kickstarter unterstützt werden.

  • Firmenportrait Telarium: Auf videospielgeschichten.de berichtet Autor Michael Kokemor von Adventures aus der Frühzeit der Videospielgeschichte, indem er das 1984 gegründete Bostoner Studio Telarium und ihre ersten Spiele unter die Lupe nimmt. Mit der Firmengründung schreiben sich die Entwickler von Telarium die Lösung eines damals typischen Textadventure-Problems auf die Fahne: Nicht mehr die Lösung des Rätsels, welches Wort der Parser hören möchte, soll im Mittelpunkt stehen, sondern die Immersion. Dafür arbeitetE das Studio mit namhaften Autoren zusammen, z.B. Michael Crichton (Amazon) und Ray Bradbury (Fahrenheit 451). Den ausführlichen Artikel gibt es hier.

  • Die Geschichte von Microprose: Der YouTube-Kanal Halt and Catch Fire ist bekannt für seine Videospiel-Dokumentationen und -Analysen. Weil das erste Microprose-Video aufgrund der umfangreichen Historie der Firma schon zu einem frühen Zeitpunkt der Geschichte enden musste, folgt Produzent Thor „Pandur“ Walez jetzt den Bitten der Fans und setzt seine Berichterstattung fort. In der aktuellen Folge, die auch noch einen Nachfolger erhalten soll, werden große Titel angesprochen: Master of Orion, Sid Meier’s Colonization, Magic: The Gathering. Wer 80 Minuten übrig hat, sollte sich in dem Video über eine der wichtigsten Entwicklerfirmen der Spielegeschichte informieren.

  • LucasArts vs. Sierra: Die uralte Frage „Wer war besser, LucasArts oder Sierra?“ beschäftigt nicht nur Gunnar und Chris, sondern auch die GamersGlobal-Autoren Jürgen (bekannt vom Zankstelle-Podcast) und Sascha. Die beiden verhandeln die Frage in einer zweiteiligen Artikelserie auf GamersGlobal mal etwas anders, nämlich als Streitgespräch, in dem sie die Firmen und ihr Werk nach verschiedenen Kriterien vergleichen – und sich dabei nichts schenken. Das ist gut recherchiert, humorvoll geschrieben und liest sich im Nu weg.

  • Return to Monkey Island: Ein neuer Trailer zeigt endlich Gameplay der Rückkehr des Adventure-Veteranen Guybrush Threepwood. Am Grafikstil scheiden sich dabei die Geister, der kantige, langgezogene Stil enttäuscht manche Fans. Aber macht euch unten selber ein Bild, und schaut doch mal in unserem Discord-Server vorbei, um mit uns über das Spiel und viele andere Themen zu quatschen.

 

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🎂 Zeitreise

Vor 20 Jahren ... (Juli 2002)

Ja, schon 20 Jahre sind vergangen, seit wir zum ersten Mal die Helden Arthas, Thrall und Tyrande in Warcraft III: Reign of Chaos durch epische Echtzeit-Schlachten begleiteten. In kürzester Zeit erreichte das Spiel Klassiker-Status: Als einziges Spiel erhielt es den Platin-Sales-Award des Verbands der Unterhaltungssoftware Deutschland (VUD), wurde also im Zeitraum von Veröffentlichung bis September 2002 über 200.000 Mal verkauft. Damit überflügelte es die starke Konkurrenz, unter anderem GTA 3, Jedi Knight 2 und Dungeon Siege, die allesamt nur einen Gold-Award (100.000 verkaufte Einheiten) einfahren konnten. Auch die Kritiker griffen zu Superlativen: PC Games vergab 92 %, die PC PowerPlay sogar 93 %, und auch die GameStar zückte 93 Punkte, die nur vom Add-On The Frozen Throne mit 94 Punkten Spielspaßwertung übertroffen wurden. Chefredakteur Jörg Langer nannte Warcraft III in GameStar 08/2002 „das beste Strategiespiel, seit es GameStar gibt“. Auch ein gewisser Christian Schmidt äußerte sich 2002 angetan: 

„Überschaubare Kampfgruppen und die Mitnehm-Helden gefallen sogar Leuten, die Hektik-Schlachten bisher abschreckend fanden. WarCraft 3 erfindet zwar das Rad nicht neu; aber ein klassisches Strategiespiel hat selten so gut funktioniert wie hier. Den Zweikampf gegen Age of Empires 2 gewinnt WarCraft 3 – knapp. Denn es hat in Sachen Atmosphäre und Spielwitz klar die Nase vorn.“

 

Vor 35 Jahren ... (Juni 1987)

Pünktlich zum 35. Geburtstag des Prüglers Barbarian: The Ultimate Warrior sprachen Gunnar und Christian kürzlich über eben jenes Spiel, das in seiner Präsentation durch leichtbekleidete Männer und Frauen und in seinem Gameplay durch brutales Pixel-Kopfabschlagen für Furore sorgte. Laut Palace-Software-Mitgründer Richard Leinfellner wirkte sich die Kontroverse nicht negativ auf Barbarian aus, sondern steigerte die Verkaufszahlen und den Bekanntheitsgrad des Spiels enorm. In Deutschland wurde das Spiel aufgrund der Brutalität indiziert. Im Rahmen der Folgenrecherche sprachen Gunnar und Christian auch mit Peter Stone, dem Gründer von Palace Software. Das Interview ist hier zu finden.

Auch der erste Auftritt von Larry Laffer jährt sich zum 35. Mal, und auch Leisure Suit Larry in the Land of the Lounge Lizards wurde bereits im Podcast behandelt. Wer die Folge schon gehört hat, weiß: Die Serie um den zu Beginn jungfräulichen 38-jährigen Larry ist spielerisch anspruchsvoller, die Entstehungsgeschichte interessanter, als auf den ersten Blick vom „Schmuddel-Adventure“ zu erwarten ist. So arbeitete Entwickler Al Lowe vor der Larry-Reihe an Disney-lizenzierten Edutainment-Spielen für Kinder, bevor er Larry als Remake und Weiterentwicklung des 1982er-Sierra-Titels Softporn Adventure erdachte. Heute wird Larry Klassikerstatus zugesprochen, zur Veröffentlichung 1987 sah es jedoch schlecht für den Anti-Helden aus: Die Verkaufszahlen entwickelten sich schleppend, nur 4.000 Exemplare wurden bei Veröffentlichung verkauft. Viele Geschäfte weigerten sich, das Spiel wegen seines nicht jugendfreien Inhalts ins Sortiment aufzunehmen. Ein dem Inhalt des Spiels nach fast zu erwartender Effekt verhalf dem Spiel dann jedoch zum heute bekannten Erfolg: Mundpropaganda – möglicherweise vor allem unter Jugendlichen – über das verbotene Spiel generierte bis Jahresende über 250.000 verkaufte Einheiten.

Der Juli 1987 markiert den Beginn einer weiteren Klassiker-Serie, die bis heute überlebt hat: Metal Gear wird auf dem MSX veröffentlicht und erscheint sogar schon im selben Monat auf dem europäischen Markt. Auch der US-Amerikanische Markt wird noch im gleichen Jahr bedient. Metal Gear sollte ein Actionspiel sein, das moderne militärische Kämpfe zeigte. Die Hardware des MSX2 begrenzte jedoch die Anzahl der auf dem Bildschirm angezeigten Kugeln und Feinde, was nach Director Hideo Kojimas Meinung den Kampfaspekt beeinträchtigte. Der MSX2 verfügte auch nur über begrenzte Scroll-Möglichkeiten, was es schwierig machte, einen flüssig scrollenden Shooter zu entwickeln. Inspiriert vom Buch The Great Escape, einem Bericht über die Flucht britischer Soldaten aus deutschen Gefangenenlagern 1944, veränderte Kojima den Schwerpunkt des Spiels weg vom Kampf mit dem Feind hin zur Vermeidung der Gefangennahme. Übrigens: Michael Biehn aus dem Film The Terminator wurde, obwohl nicht autorisiert, als Modell für die Illustration des Cover-Artworks verwendet:

Und nochmal wartet der Juli 1987 mit einem Kracher auf: R-Type erreicht europäische Arcades, während japanische Spieler schon seit zwei Monaten fleißig Highscores jagten. Die C64-Version wurde von Manfred Trenz programmiert, der auch für den berüchtigten R-Type-Klon Katakis verantwortlich war. Um juristische Schritte seitens Activision abzuwehren, einigten sich Rainbow Arts (wo Manfred Trenz arbeitete) und Activision, dass Rainbow Arts R-Type portieren würde und im Gegenzug Katakis vertreiben dürfte. Unsere Hörerin Sarah Kreuz hat kürzlich übrigens unseren R-Type-Podcast in eine aufwändige audiovisuelle Präsentation verwandelt, die ihr auf unserem YouTube-Kanal findet. Wie beim genannten Katakis sorgte R-Type für eine Vielzahl an Shmups, die sich an das R-Type-Gameplay anlehnten, unter anderem Xexex, Rezon, Pulstar, Blazing Star, Thunder Force IV und Zero-Wing

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🎙️ Podcast-Empfehlung

Eaten by a Grue

von Gunnar

Zwei Retro-Freunde, der Amerikaner Kay Savetz und der Kanadier Carrington Vanston, haben sich vorgenommen, alle Spiele von Infocom durchzuspielen und zu besprechen. Und das tun sie auch, fast 40 Folgen lang. Immer ein Spiel pro Folge, so 60 bis 90 Minuten zumeist. Ganz methodisch, mit Gameplay-Analyse, bisschen historischer Einordung und was halt so zu einem ordentlichen Retro-Podcast dazugehört.

Irgendwann waren sie logischerweise durch mit den Infocom-Titeln, wollten aber nicht mit dem Podcast aufhören. Seither halten sie sich mit Spielen der Interactive-Fiction-Community und anderen Titeln über Wasser. Das ist okay, wenn auch meiner Meinung nach nicht mehr ganz so interessant wie das Infocom-Projekt.

Aber die Infocom-Folgen habe ich mit Freude gehört, bis auf ein paar, die ich mir aufgehoben habe, um mich nicht für ein eventuelles Stay-Forever-Projekt zu spoilern. Die Produktion könnte vielleicht einen Tick besser sein, und zuweilen lachen sie zu sehr über eigene Witze, aber man kann das gut hören: Die Chemie stimmt,  das Englisch ist verständlich, und die Herren haben ihr (angenehm eng gestecktes) Thema im Griff.

Kurzer Exkurs: Kay Savetz hat übrigens noch einen anderen verdienstvollen Podcast, Antic: The Atari 8-Bit-Podcast, der schon seit Hunderten von Folgen läuft und nur aus Interviews mit Zeitzeugen der Atari-Ära besteht, zumeist Programmiern von Spielen, aber auch Redakteuren, Mitarbeitern von Atari, Wissenschaftlern und so weiter. Wie das bei Interview-Podcasts oft so ist, ist nicht jede Folge ein Genuss, aber der Wille, all diese Sichtweisen und Aussagen für die Nachwelt und Forschung zu festzuhalten, ist mehr als ehrenwert.

Legendary Games: Anstoss

von Christian

Und noch eine dringende Empfehlung für eine aktuelle Podcast-Episode: Bei unseren Kollegen von Legendary Games nimmt sich das Trio Dominik, Sascha und Alex dem klassischen Fußball Manager Anstoss an, dem wir die Stay-Forever-Folge 108 gewidmet hatten. Aber wenn wir auf Bundesliga-Niveau über Anstoss sprachen, dann ist das hier die Champions League. Nicht nur, dass die drei mit dem Anstoss-Macher Gerald Köhler dreieinhalb Stunden lang im (separat anhörbaren) Interview fachsimpeln, in ihrer Folge zum Spiel nehmen sie alle Teile der Anstoss-Serie bis ins Detail auseinander. Hier treffen tiefes Fußball-Wissen auf jahrzehntelange Anstoss-Expertise, und das merkt man: Das ist Spielanalyse mit Pinzette und Röntgenblick. Sehr spannend und unterhaltsam!

 

Bis nächstes Mal!

Habt ihr auch nichts verpasst? Unser kurzer Übersichtsservice der zuletzt erschienenen Podcast-Episoden:

Liebe Grüße aus dem SFHQ

👋

 

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