Livingstone, I Presume: 1986 brachte der spanische Entwickler Operasoft das Dschungel-Jump-and-run Livingstone, I presume heraus, das über den englischen Publisher Alligata seinen Weg nach Großbritannien fand. Das Spiel erreichte nie große Bekanntheit, in seiner C64-Fassung allerdings wurde es berüchtigt: Mitten im vierten Level stürzt das Spiel zuverlässig ab. Das Problem wurde nie gehoben, auf dem C64 war Livingstone, I presume nicht durchspielbar. Bis sich 37 Jahre später der Youtuber Robin alias 8 Bit Show and Tell in den Code des Spiels hackt und der Sache nachgeht. Was sich daraus entspinnt, hat etwas von einer detektivische Ermittlung: In seinem sehr sehenswerten Video tastet er sich durch den Code, die Handbücher und die Veröffentlichungsgeschichte des Spiels und kommt zu einem überraschenden Ergebnis, warum Livingstone, I presume auf dem C64 nicht so funktioniert, wie es sollte. Das wollen wir an dieser Stelle nicht spoilern – schaut euch das Video an!
Die Gilde – 8-bit-Demake am Commodore 128: Die Wirtschaftssimulation Die Gilde des Entwicklers 4HEAD erschien 2002, dahinter steckte Lars Martensen, der kreative Kopf hinter Die Fugger aus dem Jahr 1988. Die Gilde wurde entsprechend als geistiger Nachfolger der ikonischen Wirtschaftssim gehandelt, aber Grafik und Gameplay passten sich dem Veröffentlichungsjahr an: Vorbei war es mit den minimalistischen 8-Bit-Grafiken und trockenen Texttabellen. Wer dabei das Spielgefühl der klassischen 1980er-Simulationen wie Patrizier, Vermeer und Fugger vermisst, den wird das aktuelle Projekt unseres Hörers Goodwell interessieren. Im Forum berichtet er von seinem Versuch, den Spielspaß eines modernen 3D-Spiels im Gewand eines Fugger umzusetzen. Dabei soll die Echtzeit-Komponente von Die Gilde erhalten bleiben, nur die Visualisierung orientiert sich an den primitiven Wurzeln des Genres. Er hat sein Projekt Zeit der Gilden getauft, im verlinkten Thread steht bereits ein Alpha-Download zur Verfügung, über den vor allem Feedback gesammelt werden soll.
Zum Vergleich: Zeit der Gilden und Die Gilde.
Capcom Town: Mitte Juni hat Capcom anlässlich des 40-jährigen Jubiläums eine Webseite namens „Capcom Town“ gestartet. Auf der Webseite gibt es viel Unterhaltsames zu finden, Retro-Spiele, ein Museum mit über 500 Kunstwerken, Dokumenten, Videos, Musik und Informationen zu Spielen wie Monster Hunter, Resident Evil, Street Fighter, Mega Man, Devil May Cry, Ace Attorney und Ghosts 'n Goblins.
Besonders interessant ist der Retrogames-Bereich, in dem man klassische Capcom-Titel wie Final Fight, Mega Man und Street Fighter entweder mit Tastatur oder Controller spielen kann. Die Spiele sind sowohl in der westlichen als auch in der japanischen Version verfügbar.
„Immortal Joysticks“ – Kickstarter-Projekt für hochqualitative Retro-Eingabegeräte: Wer kennt es nicht: Der billige Import-Joystick von Amazon, den man sich für sein Retro-Gerät geholt hat, gibt nach nur wenigen Shmup-Sessions den Geist auf. Zumindest Andrew vom Amiga-Blog Amiga for Mortals war von dem Problem genervt, und anstelle sich auf die lange Suche nach hochwertigen Joysticks zu machen, hat er beschlossen, selbst Hand anzulegen und Knüppel herzustellen, die den Ansprüchen der Retrogamer gerecht werden. Das hat er bisher in Handarbeit für seine Kunden erledigt, jetzt möchte er den nächsten Schritt gehen und die Joysticks professionell en masse anfertigen lassen, natürlich ohne auf die unkaputtbare Qualität zu verzichten. Das möchte er via Crowdfunding auf Kickstarter realisieren, wo er bereits erkennen lässt, dass er hohe Ansprüche an seine Produkte stellt: Seine Immortal Joysticks haben ein Gehäuse aus Aluminiumlegierung, verwenden authentische Sanwa Denshi- und Seimitsu-Arcade-Bauteile, sind handgebaut in England und bieten Komfortfunktionen für Kenner: Button-Mapping, Links- und Rechtshänder-Varianten, und durch den neunpoligen D-Sub-Stecker passt er von Haus aus an jeden Amiga, Atari, ZX Spectrum, Commodore 64, Vic-20, C128 und ans Sega Master System. Per Adapter kommen noch viele andere Systeme dazu. Alle Informationen dazu gibt es bei Kickstarter, dessen Mindestbetrag leider noch nicht erreicht wurde, und der zum Zeitpunkt der Aussendung dieses Newsletters noch ungefähr eine Woche läuft.
The Secret of Donkey Island: Diesen Titel trägt ein Fan-Tribut an das originale Monkey Island, der ursprünglich im Juni 1994 von zwei tschechischen Schülern programmiert wurde. Damals erschien das Spiel nur auf tschechisch als Tajemství Oslího ostrova, mit dem Protagonisten Gajbraš Tripvůd. Die Bedeutung des Spiels geht jedoch über den Status als obskurer Kult-Titel hinaus: Das Spiel war eines der ersten Point-and-Click-Adventures in tschechischer Sprache und auch das erste kommerziell erhältliche tschechische Spiel für MS-DOS. Donkey Island verkaufte etwa 2.000 Exemplare für je 240 Kronen. Jetzt wurde ihm von zwei Indie-Programmierern neues Leben eingehaucht. Emmxyzzy und Sonneveld haben das Spiel auf Englisch übersetzt, sodass in wenigen Tagen mehr Leute das Spiel gespielt haben werden als in seinem bisherigen 29-jährigen Leben.
Donkey Island spielt kurz nach den ersten beiden Monkey Island-Spielen. LeChucks Bruder LeGek taucht auf, und das Leben von Gajbraš Tripvůd ist wieder einmal bedroht. Gajbraš wird zum einsamen Überlebenden, nachdem LeGek seine Galeone zerstört. Er erwacht am Strand einer unbekannten Insel und muss versuchen, den Weg nach Hause zu finden, während er dem Zorn von LeGek entgeht.
Das Spiel ist unter donkeyisland.zip kostenfrei erhältlich, kann entweder als ROM für Emulatoren oder Original-Systeme geladen oder direkt online gespielt werden.
Übrigens: Obwohl es keine englische Version des Spiels gab, hat Donkey Island seinen Weg auf den deutschen Markt gefunden. Über den Publisher Romware erschien eine deutsche Ausgabe mit dem Piraten-Aspiranten Kay-Busch Triphut. Hier ein Bild aus Christians Sammlung:
Snowboard Champion: Noch eine Übersetzung: Snowboard Champion ist ein obskurer Titel des japanischen Entwicklers Dream Japan und des Publishers Bottom Up, der am 31. März des Jahres 2000 für den Game Boy Color veröffentlicht wurde. Das war ein Jahr vor der Einführung des Game Boy Advance, weshalb Snowboard Champion möglicherweise nicht mehr die Aufmerksamkeit bekam, die es verdiente – es wurde nie in andere Sprachen als Japanisch übersetzt. Wie der Name schon verrät, handelt es sich bei Snowboard Champion um ein actionreiches Snowboardspiel, bei dem die Spieler gegen verschiedene andere Boarder in Disziplinen wie One Trick, Slalom, Halfpipe, und Boardercross antreten. Dank der beiden Programmierer Diogo Ribeiro und leina ist es nun möglich, das Spiel auf Englisch zu spielen. Die beiden haben einen Fan-Patch veröffentlicht, das heißt die ursprüngliche ROM des Spiels wird benötigt, um den Patch anzuwenden. Hier geht es zum Patch auf romhacking.net. Auf YouTube gibt es ein Gameplay-Video.
Evercade verwendet KI-generiertes Artwork für die Neuauflage von Duke Nukem 1 & 2: Aufmerksame Twitter-Nutzer haben es kurze Zeit nach der Veröffentlichung der Promo-Artworks für die Neuauflagen von Duke Nukem gemerkt: Warum hat Dukes Hand nur vier Finger, und warum geht die andere Hand einfach durch seine Waffe hindurch? Blaze Entertainment, das Unternehmen, das hinter dem Retro-Handheld Evercade EXP (Fabian berichtete) und den dazu gehörigen Cartridge-Veröffentlichungen steht, wurde auf Twitter für die Verwendung von Grafiken kritisiert, die entweder teilweise oder vollständig künstlich generiert zu sein schienen. Hier der Stein des Anstoßes:
Auf die Frage der Fans, wer für die Artworks verantwortlich sei, antwortete Blaze Entertainment: „A very talented artist“. Es ist wohl nicht erwähnenswert, dass diese Antwort das Feuer nur noch weiter entfachte.
Nach weiterem Druck gab Blaze den Namen des Künstlers preis – Oskar Emanuel – und veröffentlichte in einem Versuch der Entlastung auch Sketch-Zeichnungen. KIs machen ja wohl keine Sketche?
Doch auch diese wurden von den unbarmherzigen Kritikern auseinandergenommen. Die Fans begannen, sich noch eingehender mit den Skizzen und sogar mit dem Künstler selbst zu befassen, und fanden weitere Beweise dafür, dass KI bei der Erstellung der Artworks für das Spiel entweder teilweise oder vollständig eingesetzt wurde. Zudem entdeckten sie, dass der verantwortliche Künstler Kurse im Erstellen von Kunst mithilfe von KI anbot.
Nachdem die Internet-Sherlocks die Argumente von Blaze Entertainment vollständig zerstört hatten, gab die Firma nach, entfernte die Artworks und trennte sich von dem Künstler.
Warum das alles überhaupt wichtig ist? Der Lebensunterhalt vieler Künstler steht auf dem Spiel. Unternehmen könnten, falls solche Praktiken etabliert werden, weiterhin KI-generierte Inhalte für große Produktveröffentlichungen verwenden, was dazu führt, dass Menschen, die in künstlerischen Berufen rund ums Game Design arbeiten – Grafik, Voice Acting –, es schwerer hätten, ihren Lebensunterhalt in einem ohnehin schon schwierigen Bereich zu verdienen.
Neues Game Boy-Spiel von ... McDonald's? Ja, McDonald's nutzt die 90er-Jahre-Nostalgie aus und veröffentlicht ein Game-Boy-Spiel namens Grimace's Birthday. Grimace ist eine Figur aus dem McDonald's-Universum. Heute ist er als Ronald McDonalds bester Freund bekannt, wurde jedoch ursprünglich als Bösewicht Evil Grimace eingeführt, der den Leuten ihre Shakes stahl. Anlässlich des 52. Geburtstags der Figur hat McDonald's ein authentisches Game-Boy-Spiel in Auftrag gegeben, das von echten Szene-Entwicklern mit dem Tool GB Studio entwickelt wurde. Grimace's Birthday ist online spielbar oder kann als ROM heruntergeladen werden. Im Spiel möchte Grimace seinen Geburtstag in seinem Lieblingsrestaurant McDonald's feiern, jedoch sind seine Freunde verschwunden. Diese muss er in vier Levels einsammeln, in denen Grimace per Skateboard unterwegs ist und Punkte durch Tricks einsammelt.
Sega-Mega-Drive-Buch kostenlos zum Download: Eigentlich wollte Darren Doyle von Greyfox Books sein neues Kompendium Mega Book Collection genau wie die vorherigen Bücher des Verlags – unter anderem Unofficial Atari: a Visual History und Coin-Op: The Arcade Guide – via Crowdfunding in einer physischen Variante an Unterstützer und Fans ausliefern. Diesem Projekt grätschte jedoch Sega rein, die mittels Unterlassungsaufforderung die Arbeit von Darren (fast) zunichte machten. Nur fast, weil Greyfox Books das Sega-Kompendium nun einfach digital und kostenlos zur Verfügung stellt. Dadurch werden natürlich Tausende Arbeitsstunden nicht entlohnt, weshalb Greyfox um Spenden und Rezensionen bittet, wenn die Leser Gefallen am Buch finden. Die Mega Book Collection dreht sich hauptsächlich um die Spiele des Mega Drive, bietet eine visuelle Präsentation, die sich an die Gestaltung der Mega-Drive-Spiele anlehnt, und enthält sogar ein Vorwort von Dave Perry. Das Buch ist kostenlos bei Greyfox Books erhältlich, dort gibt es mehr Informationen zum Inhalt und zur Entstehung sowie Hinweise bezüglich Spenden.