„Nur noch ein Level!“, sage ich mir mit eiskalter Maushand, als ich, flüchtige Erfolgsmomente jagend, immer tiefer in das Verlies von Dreadrock vorstoße. Nur noch dieses Rätsel lösen, nur noch diesen Gegner überlisten, und schon lande ich im nächsten Level, vor dem nächsten Gegner und dem nächsten Rätsel. Für die ist auch noch eben Zeit. Dungeons of Dreadrock ist spielerisch weit entfernt von Heroes of Might and Magic oder Diablo, entwickelt jedoch eine ganz ähnliche Suchtspirale. Noch eine Runde, noch ein Level, noch ein Gegner. Unserem Hörer Christoph Minnameier gelingt es dabei nicht zufällig, die Spieler vor den Bildschirm zu fesseln: Als Professor für Game Design durchschaut er auch die Mechaniken hinter Spielen und lehrt in den Bereichen Mathe, Informatik, Programmierung und KI. Dungeons of Dreadrock war jedoch kein langgehegter Traum der Selbstverwirklichung im Game Design, sondern viel mehr ein Zufall. Im Gespräch erzählt er uns vom langen Weg, den sein Spiel bis zur Veröffentlichung nahm.
Es war nie geplant, Dungeons of Dreadrock in dem Umfang und der jetzt erreichten Qualität zu entwickeln. Ich habe aus Interesse eines Abends mit dem Unity-2D-Tilemap-System herumgespielt. Ein Konzept hatte ich nicht, aber die Tilemap erinnerte mich dann an einen Moment vor zehn Jahren, als ich Legend of Grimrock spielte – aus diesem Gedanken wurde dann Dungeons of Dreadrock geboren.
In einem frühen Level von Legend of Grimrock bog ich um eine Ecke in einen langen Gang mit einer Druckplatte, die einen Feuerball auslöst. Es gibt nirgends einen Mechanismus, um die Druckplatte zu entschärfen. Stattdessen kann man aber von der Position direkt vor der Druckplatte sehen, dass der Gang ein paar Schritte weiter eine Nische hat. Die Lösung besteht also darin, dem Feuerball entgegen zu „rennen“, aber nach ein paar Schritten in die Nische auszuweichen.
Ich weiß noch, dass ich an dieser Stelle ehrfurchtsvoll innehielt. Die gesamte Sequenz: Was tut die Druckplatte? Hilfe, ein Feuerball! Schaffe ich es, auszuweichen? Das Absuchen der Wände nach einem Schalter. Die Wahrnehmung der Nische. Und schließlich der Transfer auf die Lösung. Nichts davon ist besonders schwer und dennoch ist es, wegen der sequentiellen Erfahrung, so befriedigend.
Als ich innehielt, dachte ich mir: Ich spiele hier ein Remake von 20 Jahre (heute 30) alten Spielen wie Dungeon Master, aber keine mechanische Neuerung seither hat ein vergleichbares Potenzial entfaltet. Ein Potenzial mit minimalen Mitteln eine Grundlage für so viele Rätsel, Fallen und Kämpfe zu bieten – einfach auf Basis der Steuerung. Stellt man sich die gleiche Mechanik in einem Spiel mit analoger Bewegung vor, wird das Timing schwierig und die Bewegung hakelig. Die Unmöglichkeit, die Druckplatte zu umgehen, wirkt… künstlich. Rückblickend wurde Dungeons of Dreadrock im Moment dieser Erkenntnis geboren.
Mit Dungeons of Dreadrock bricht Christoph diese Mechanik auf ihr Grundgerüst herunter: Die Spielfigur wird aus der Top-Down-Perspektive gesteuert und bewegt sich schrittweise über Quadratfelder. Das Spiel bietet keinen Raum für analoge Bewegungen und zwingt die Spieler, über jede Bewegung genau nachzudenken. Ein falscher Schritt kann den Tod der Spielfigur bedeuten. So kombiniert Christoph in der Spielmechanik Dungeon Crawler und Puzzlespiel.
Wenn man Dungeons of Dreadrock sieht, denkt man wohl auf den ersten Blick: Aha, noch ein Pixelart-Twinstick-Shooter-Roguelike. Aber ich würde sagen, das Spiel ist im Gegensatz zu vielen Pixelart-Games wirklich „retro“ in den Mechaniken. Viele Leute äußern Verwunderung, wenn sie nach der Einleitung merken, dass man sich Felder-basiert bewegt. Das ist für Echtzeit-Spiele seit 20 Jahren einfach nicht mehr üblich. Das Design hat aber auch moderne Einflüsse von Spielen wie Limbo oder Inside. Limbo bringt dir nach einer Minute bei: Du kannst sterben! Das ist eklig, und es wird dir noch öfter passieren, aber das ist nicht schlimm! Das habe ich übernommen. Inside verbindet Zugänglichkeit mit Tiefgang und bleibt dabei cinematisch. Vor allem schafft es das Game Design, mit absolut minimalem Input durch die Umgebung, coole Rätsel zu erzeugen. Die Schlankheit und Eleganz von Inside war für Dungeons of Dreadrock als Inspiration und als Vorbild sicher genauso wichtig wie Dungeon Master.
Nach dem Gespräch geht es wieder in den Dungeon für mich. Ich scheitere vierzehn Mal an einem Minotauren, bis ich ihn endlich in die Falle locke, die für mich gedacht war. Das nächste Level: eine Druckplatte... ein Feuerball. Ich bin tot. Wie geht es hier bloß weiter?
Dungeons of Dreadrock gibt es auf Steam und auf iOS- und Android-Geräten. Im April möchte Christoph es für die Nintendo Switch veröffentlichen. Mehr Infos auf https://dungeons-of-dreadrock.com/.